Und ob es das tut! Das textbasierte Lifeline lockt mit seiner packenden Geschichte rund um den abgestürzten Astronauten Taylor sogar mich wieder ans Smartphone. Macht euch auf eine wendungsreiche Reise mit einer genialen Idee gefasst!
Ohne Einleitung oder Tutorial geht es direkt nach dem Start der App los. Nachricht um Nachricht erscheint auf der schlichten Oberfläche, jemand nimmt Kontakt mit mir auf. Es ist der Student Taylor, der an Bord des Transportraumschiffes Varia war. Auf dem Weg zum Planeten Tau Ceti IV gab es Komplikationen, er wurde von der Crew in eine Rettungskapsel gesteckt und erwachte auf einem wüstenähnlichen Mond. Allein und mit der Situation überfordert, sucht er nach Hilfe. Ich bin es, den er erreichen konnte. Ob ihm das hilft?
Decisions, decisions
Stück für Stück lese ich mich in seine spannende Situation ein, versuche mit jeder neuen Information fehlende Puzzleteile zu ergänzen und so seine Geschichte zu rekonstruieren. Meine Interaktionen mit Taylor sind dabei auf jeweils zwei vorgegebene Antwortmöglichkeiten begrenzt, die sein Handeln beeinflussen – im Guten wie im Schlechten. Meistens werde ich bei schwierigen Entscheidungen zu Rate gezogen: Zur Absturzstelle der Varia oder in die entgegengesetzte Richtung zu einer ihm seltsam erscheinenden Erhebung gehen? Den Elementen ausgesetzt die Nacht verbringen oder neben einem wärmenden aber eventuell gefährlich strahlenden Reaktor Schlaf finden? Entscheidungen, für die ich selbst Zeit brauche, um Vor- und Nachteile abzuwägen. Entscheidungen, die Taylor das Leben kosten könnten, denn er ist verwundbar wie du und ich. Ihm wird kalt, er kann sich verletzen, braucht etwas zu Futtern und hat Durst.
Echtzeit-Begleiter
Meiner Antwort folgend, unternimmt Taylor alles Notwendige, um zu überleben und irgendwie ein Notfallsignal zu senden. Doch das braucht Zeit, und hier kommt der eigentliche Clou: Ich spiele nicht, wann es mir passt. Taylor meldet sich per Pushnachricht bei mir, sobald er mit einer Aufgabe fertig ist, etwas dazwischen kommt oder er mitten in der Nacht aufwacht. Er schüttet mir sein Herz aus, erzählt mir von Freundschaften, Ängsten; aber auch von witzigen Momenten oder lässt seinen Unmut über das gefundene Rattenfutter aus. Diese Spielweise in Echtzeit macht ihn lebendig, er wird ein Teil meines Tages. Morgens nach dem Aufstehen nehme ich ihm Entscheidungen ab, auf dem Weg zur Arbeit und im Büro. Stress kommt bei Lifeline glücklicherweise nicht auf, denn wenn ich verhindert bin, wartet Taylor auch gern ein paar Stunden auf meine Antwort.
Der erzählerische Stil ist zugleich spannend und humorvoll, kann aber auch bitterlich traurig werden. Etwa wenn sich Taylor über Stunden nicht meldet, man das Schlimmste vermutet, er hoffnungsvoll antwortet und dann doch die Verbindung abbricht, nachdem er mir vom schönsten Sternenhimmel seines Lebens berichtet, die Kälte ihm zusetzt, er schwächer und immer schläfriger wird… Gott sei Dank darf ich in solch einem Moment zu vorigen Antwortmöglichkeiten zurückspringen und meine Entscheidungen nochmals überdenken. Ein erneutes Durchspielen mit anderen Ausgängen ist möglich, doch häufig speist euch das Spiel dann mit gleichen Textpassagen ab und vertut hier eine große Chance. Die erstmalige Faszination kann mir dennoch niemand rauben!
Fazit
Lifeline lebt von seiner packenden und gefühlvollen Geschichte. Astronaut Taylor wurde zu einem Freund, der mich ein paar Tage lang auf eine abenteuerliche Reise nahm. Ein Ereignis, das ich nicht mehr missen möchte und jedem ans Herz lege, der sich auch nur einen Funken für geschriebene Stories interessieren kann.
WERTUNG: 9/10
Lifeline ist für knapp einen Euro im AppStore von Android und iOS verfügbar. Ebenso erschien mit Lifeline 2 bereits ein Nachfolger.