Der krönende Abschluss ist CD Projekt RED mit The Witcher 3: Wild Hunt gelungen. Anstatt euch noch ein weiteres Review aufzutischen, zeigen wir die kleinen, aber feinen Unterschiede, mit denen uns Geralt um den Finger wickelt.
Dass The Witcher 3: Wild Hunt ein gigantisches und zugleich großartiges Rollenspiel geworden ist, können wir nach etwas mehr als 20 Spielstunden nur deutlich unterstreichen. Da wir noch am Anfang unserer Reise sind, möchten wir – logischerweise – von einem Review absehen und euch stattdessen die kleinen Dinge vorstellen, die uns den Hexer-Alltag vollends versüßen und andere Genre-Vertreter samt Publisher mitunter alt aussehen lassen.
Nerdisches Kleinvieh macht auch Mist
Eine dieser wundervollen Kleinigkeiten beglückt Spieler direkt nach dem Spielstart: Die Intro-Videos sind allesamt skipbar und daher ein Segen für alle Spieler, die das Spiel das zweite oder fünfunddreißigste Mal starten. Am PC dürfen wir außerdem den Spielstand aus dem Vorgänger importieren. Inwieweit dies die Story beeinflusst, haben wir noch nicht herausgefunden. Was wir aber schon wissen: Unsere Taten haben Folgen, die Story ist also wieder einmal von uns beeinflussbar, sodass es zu drei stark unterschiedlichen Enden kommen kann. Freunde der alten Schule kommen außerdem auf ihre Kosten: Manuelles Speichern vor den Kämpfen ist Pflicht, es existiert kein Auto-Heal und das komplette HUD lässt sich soweit herunterregeln, dass euch das Spiel kaum mehr an die Hand nimmt. Zusammen mit dem dritten oder gar vierten Schwierigkeitsgrad entsteht somit eine gelungene Rollenspielpräsentation, die sich irgendwo zwischen “ich-will-das-komplette-Feeling-egal-wie-schwer” und purem Masochismus einordnet.
Abgerundet wird das Erlebnis von einem dynamischen Wechsel zwischen Gamepad und Maus/Tastatur, die uns schon bei GTA V beeindruckte. So halten wir uns Gegner am liebsten mit dem Gamepad vom Hals und stöbern mit unserer Maus durch die verschachtelten Menüs.

Nicht nur grafisch bis ins kleinste Detail durchdacht: Videos sind skipbar, kein Autoheal und manuelles Speichern ist des Hexers-Alltag. // Screenshot des Autors.
Aus allen nähten geplatzt
Doch auch schon vor der Installation schmierte uns Geralt Honig um den Mund: Nur zwei Versionen des Spiels stehen in den Läden, entweder Standard-Edition oder Collector’s Edition. That’s it. Keine Zwischendinger, keine exklusiven DLC-Häppchen für mehr Geld, kein Versions-Chaos wie etwa bei Watch Dogs. Stattdessen stopft CD Projekt RED die Versionen bis zum Maximum voll: Schon der Standard-Edition liegt der Soundtrack auf CD bei. Alle Superlative sprengt hingegen die Collector’s Edition: Geliefert in einer riesigen Box, verbirgt sich dort das meines Erachtens nach beste Artbook der letzten zehn Jahre und eine toll verarbeitete, handbemalte Figur von Geralt im Kampf mit einem Greifen. Liebe zum Detail beweisen die Entwickler mit dem Aufdruck ihrer Unterschriften auf der Innenseite des Kartons. Dem Spiel liegt auch eine Karte bei, auf der sich das Studio für den Kauf bedankt, weitere Updates verspricht und kostenlose DLCs veröffentlichen will.
Apropos Contenterweiterungen: 16 DLCs sollen in den kommenden Wochen und Monaten auf die Spieler losgelassen werden – kostenlos, versteht sich. Konkrete Pläne sind noch nicht bekannt, doch sind es sehr wahrscheinlich nur kleine Goodies, wie die jetzt schon verfügbare neue Rüstung oder eine bald erscheinende Quest. Klingt nach Content, der dem Spiel bewusst entwendet wurde, ist wahrscheinlich auch so. Nur bekommen Spieler diesen kostenlos nachgereicht, können sich also auf weitere Sachen freuen und haben noch einen Grund die Spielwelt erneut zu besuchen. Nebenher erwähnt könnte es sich bei der Vielzahl an DLCs auch bewusst um einen Stinkefinger an die Branche handeln, die DLC-Pläne vorab veröffentlicht, aus dem Spiel herausschneidet und die Kunden extra zahlen lässt.

Ein Tisch voller Glück: Die Collector’s Edition kommt mit riesigem Artbook und gut verarbeiteter Figur daher. // Bild des Autors.
Season Pass im Addon-Pelz
Doch halt! Hat CD Projekt RED nicht schon einen Season Pass vor dem eigentlichen Release angekündigt? Richtig, aber im Unterschied zu den obligatorischen Contenterweiterungen anderer Hersteller (hier mal ein paar neue Quests, da ein paar neue Maps), soll die Spielzeit der im Herbst (Hearts of Stone) und im kommenden Frühjahr (Blood and Wine) erscheinenden DLCs satte 30 Stunden betragen. Klingt also schwer nach einem guten alten Add-On – Gott habe sie selig! Zusammen mit der Aussage: “Wir bieten zwar schon jetzt einen Expansion Pass an, doch wir möchten eins klarstellen: Kauft ihn euch nicht, wenn ihr auch nur die leisesten Zweifel habt.” und einem Preis von 24,99 Euro, machen es uns die Polen also wirklich schmackhaft. Sie scheinen ihre Spieler gut zu kennen und richten die Firmenstrategie konsequent danach aus.
Denn wenn die Anhänger eines nicht mögen, sind es künstliche Restriktionen, mit denen sich vor allen PC-Spieler seit einigen Jahren rumschlagen müssen: DRM. Davon sieht The Witcher 3 konsequent ab. Das Spiel kann registriert werden, muss aber nicht. Eure Nutzungsrechte werden also nicht eingeschränkt und einem Weiterverkauf steht nichts im Weg. Solltet ihr dennoch das Spiel registrieren, so bekommt ihr bei GOG den Soundtrack, das Handbuch und weitere Goodies digital hinterher geworfen.

Grenzenlose Freiheit: Wie in der Spielwelt, werden auch dem Endverbraucher keine Rechte eingeschränkt. // Screenshot des Autors.
Enhanced Edition nur eine Frage der Zeit?
Zu guter Letzt befragen wir die continue’sche Glaskugel zur Zukunft des Witchers: Die Handlung ist abgeschlossen, ein Re-Release könnte es dennoch geben. Beide Vorgänger wurden als überarbeitete und von Fehlern bereinigte Enhanced Edition aufgelegt, Käufer der ersten Stunde bekamen die Version als riesigen Patch nachgereicht – wie gewohnt kostenlos. Und seitdem Re-Releases ein mehr als gängiger Branchentrend ist, stehen die Zeichen für einen Hochglanz-Geralt nicht schlecht. Vielleicht dürfen sich PCler dann auch auf die aus den ersten Trailern präsentierte Grafikpracht freuen. Zur hitzigen Grafikdowngrade-Debatte äußerte sich CD Projekt RED, wenn auch recht spät, machte Zugeständnisse, räumte Fehler in der Kommunikation ein und öffnete der Community die Augen: ohne PS4 und Xbox One kein Witcher 3.
Ende gut, alles gut? Nein, mehr als gut! In diesem Sinne: Viel Spaß mit diesem Hochkaräter und seinem Team dahinter, die uns Spieler noch Gehör schenken und sich mit solchen Kleinigkeiten Respekt verschaffen und Liebe ernten.